Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 10. Oktober 2016
Ich habe bereits diverse Bücher von Ulf Schiewe gelesen und schätze diesen Autor. Nach der Lektüre dieses Romans frage ich mich: Was ist denn da passiert?
In diesem Roman geht es um die Kolonialzeit, um Seefahrt, um die Karibik, Hispaniola, Quisqueya. Heute nennt man die 1492 von Kolumbus entdeckte Insel Dominikanische Republik (die spanische Seite) und Haiti (französische Seite). Wir befinden uns im Jahr 1635. Jan van Hagen kehrt mit seinem Schiff voller Waren in den Heimatort Bremen zurück. Er ist Hansekapitän. Der Vater liegt im Sterben, hoch verschuldet, denn er hatte den Regierenden Geld geliehen, das er nicht zurückerhielt. Nun steckt er selbst in der Klemme. Der Bruder von Jan sitzt im Schuldturm, die Schergen, Jan zu verhaften, sind auf dem Weg. Gleich hier kann Jan problemlos seinen Häschern entkommen. Der Vater hatte ihn gebeten, das Land zu verlassen, sich und Schiff zu retten, in der Karibik Geschäfte zu machen. Er gibt ihm die Adresse eines Freundes in Amsterdam mit auf den Weg. Der Holländer erklärt dem naiven Jan die Seefahrt auf dem Atlantik, rüstet das Schiff auf, um es atlantiktauglich zu machen, stellt Jan Kanonen (die er nie benutzen wird) und Waren zur Verfügung, bittet ihn, sich nach seinem Sohn umzuhören, der mit seinem Schiff lange überfällig ist. Dieses geschliffene Glück zieht sich durch den ganzen Roman. Auf geht es nach Portugal, Waren zu wechseln. Auf dem Weg lernen Captain und Stürmann, die bislang nach Gefühl navigierten, ganz nebenbei die Navigation nach Geräten und Sternen. Hier hätte ich mir Ausführungen gewünscht. Viel Erfahrung gehörte damals zu dieser Art der Navigation, keine Rede davon. Kein Wort davon, dass die Seeleute zu der Zeit ein Längenproblem hatten, da der Sextant erst 1750 erfunden wurde und so enorme Zeitverluste in Kauf genommen werden mussten, weil die Schiffe lange auf dem Breitengrad schipperten, um einen Navigationspunkt zu finden. Schiffe liefen zu der Zeit schnell auf Riffe auf, da sie ihre Position nicht bestimmen konnten, die Karten ungenau waren. Kein Wort davon, auch nicht, dass alle Schiffe auf den Kanaren, der halbe Weg in die Karibik, einen Zwischenstopp einlegten, um zu handeln, Nahrung und Wasser aufzunehmen. In diesem Buch ist Leben auf See hart, aber herzlich und recht problemlos ... keine Rede von Skorbut oder anderen Schwierigkeiten. Zack, ist man problemlos in der Karibik angelangt. Jan wird verhaftet, des Schmuggelns bezichtigt und zack mit Hilfe des gütigen Miguel Garcia Hernandez, einem Zuckerrohrplantagenbesitzer ist er wieder heraus. Dieser reiche Mann hat eine wunderschöne Frau, die gutherzige Maria Carmen, ein Parallelstrang.
Die Guten haben ein weiches Herz, die Bösen sind echte Fieslinge. Die Guten freunden sich dicke mit den Slaven an, die Bösen peitschen sie aus ... Klar geregelt. Die Guten schmuggeln ihre Ware an der Regierung vorbei, weil der spanische König die Steuern erhöhte, man will ja was verdienen. Die Bösen sitzen in der Verwaltung der Insel, weil sie das unterbinden wollen. Hier wird nichts Historisches erklärt. Und dem Priester gefällt die Slaverei natürlich auch nicht. Nebenbei wird erwähnt, dass man schwarze Sklaven auf den Plantagen einsetzte, da die Ureinwohner fast ausgestorben sind, an Krankheiten. Hier hätte man historisch ansetzen können, auch die Zuckerrohrgewinnung besser beschreiben. Das Wort Melasse kommt nicht vor. Wo bleibt die Erklärung, warum Europa den Zucker aus der neuen Welt so begehrte? Nebenbei wird mal etwas von Kaperbriefen erwähnt, Informationen, die zu der beschriebenen Zeit nützlich gewesen wären. Die Guten sind ja ach so gut in diesem Roman. Sie zeigen Denkweisen des 20. Jahrhunderts, die der Guten.
Die junge Hure Elsje hat sich in Amsterdam als blinder Passagier an Bord geschmuggelt. Kaptain Jan befielt, sie soll in Portugal ausgesetzt werden. Aber der nette Kerl bringt es nicht über das Herz und die Dame versteht sich wunderbar mit der Mannschaft. Anschaffen darf sie an Bord natürlich nicht.
Ständig fühlte ich mich in die heutige Zeit versetzt. Die Guten sind natürlich auch der Meinung, dass schwarze Slaven gleiche Rechte haben, der nette Kumpel von nebenan, und ein Protagonist macht einen gesuchten entlaufenen Sklaven gar zum Geschäftspartner. Haarsträubend werden die Charaktere mit modernem Denken ausgestattet, ohne sich in koloniale Denkstrukturen hineinzuversetzen, gesellschaftspolitische soziologische Einflüsse zu berücksichtigen.
Die Sprache ist einfach, Charaktere sind plakativ, simpel strukturiert. Anstatt sich, weil dies ja ein historischer Roman sein soll, sich mit geschichtlich relevanten Themen auseinanderzusetzen, werden hier am laufendem Band Liebesgeschichten eingewoben. Nicht einmal Haudegenszenen sind zu finden. Der Leser ahnt, nachdem er seine Hauptcharaktere kennengelernt hat, wie es enden wird. Keine Angst, es werden ihnen keine Steine in den Weg gelegt, nur ein paar Kieselsteinchen. Weder historisch noch spannend plätschert die Story durch das gesamte Buch, glatt ohne Kanten im Sonnenschein, Friede, Freude, Eierkuchen. Die Schatzinsel war spannender. Meine Empfehlung, ab 10 Jahre gut lesbar.