Kundenrezension

Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 10. Januar 2016
Zur Story: In naher Zukunft wird eine von NASA und Privatindustrie finanzierte Expedition an den Rand des Sonnensystems gesendet, um dem Verschwinden mehrerer Sonden auf den Grund zu gehen. Vor Ort machen die Astronauten eine unglaubliche Entdeckung.

Der Roman 'Paradox- Am Abgrund der Ewigkeit' ist dem Genre Hard-Tech-SF zuzuordnen, da er über weite Strecken (250 Seiten!) äusserst detailliert die Möglichkeit und praktische Durchführung einer solchen Mission beschreibt. Angefangen von den Machtspielen hinter den Kulissen der Geldgeber bis hin zu Ausbildung und Training der Astronauten; der eigentliche Science-Fiction-Teil beginnt erst ab etwa Seite 300 des Romans.
Über weite Strecken erscheint dem Leser das Buch eher wie ein Apollo-Dokumentarbericht und weniger wie ein Roman, auch wenn der Autor die Seiten dazu nutzt, das Beziehungsgeflecht der vier Hauptfiguren plastischer werden zu lassen. Dieser lange Mittelteil ist bestimmt nicht jedermanns Geschmack, man kann ihn aber, je nach Vorwissen, als Auffrischungs- oder Crashkurs in Sachen Astronautik und Astrophilosophie verstehen. Oder einfach nur schnell überfliegen.
Richtig spannend wird's dann ab Seite 300, aber mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten.

Zur Technik: Die im Roman vorgestellte Antimaterie-Antriebstechnik wird vermutlich möglich sein, da der Autor vom Fach ist, und der Roman nicht so wirkt, als sei er unwissenschaftlich recherchiert worden. Eine wichtige Unterlassung jedoch fiel mir auf: Das grösste Problem langer Raumflüge (im Roman immerhin ein Jahr!) ist, neben dem Muskelabbau in der Schwerelosigkeit, die enorme Gammastrahlenbelastung, auf die im Roman nicht eingegangen wird. Vielleicht spielt die mittlerweile aufgrund technischer Gegebenheiten (Schutzwand) keine grosse Rolle mehr, aber ein Erwähnung hätte auch nicht geschadet.

Das Fermi-Paradox: Warum haben wir immer noch keinen Kontakt zu Ausserirdischen? Auch um diese Frage geht es gegen Ende des Romans, und es werden dazu verschiedene zeitgemäss übliche Antworten vorgestellt. Eine, die nur wenig bekannt ist, stelle ich an dieser Stelle einmal vor, frei zur Diskussion:
Der Grund könnte in der Struktur unserer Intelligenz liegen, worin sie begründet ist, wie sie entstand, und wie sich von der Intelligenz der Tiere unterscheidet. Ein Hauptmerkmal, das uns Menschen von den Tieren radikal abgrenzt, ist die thermische Veränderung unserer Nahrung und die damit verbundene Kulturherausbildung. Während Tiere, auch sogenannte intelligente Tiere wie Delphine, Wale, Raben, Ziegen u.a., vollumfänglich in der Natur beheimatet sind, also von und in ihr leben, ohne Sekundärwelten (kulturelle/industrielle Schöpfungen), ist der 'zivilisierte Mensch' ausschliesslich in selbst konstruierten Ersatzwelten zuhause, gegründet auf extern zugeführte Energieträger. Hinter dem Wunsch, die Erde verlassen und ins All aufbrechen zu wollen, steckt zuallerhinterst der Urverlust naturellen Eingebundenseins.
Von daher muss man davon ausgehen, dass, wenn es irgendwo eine fremde raumfahrende Rasse geben sollte, diese im Vorfeld diesen Weggang aus dem Naturgefüge erlebt haben muss, also die Schritte Feuernutzung - Nahrungsveränderung - molekularer Biostress - Aufbau einer psychischen Sphäre - Bewusstseinsspaltung etc, durchlebt und überlebt haben muss. Oder anders gesagt. Nicht jede intelligente Lebensform 'da draussen' wird diesen 'Stachel' in sich tragen, anderswo Heimaten aufspüren zu müssen.
Vielleicht auch deshalb herrscht 'Schweigen im Walde'; obwohl es von intelligentem Leben nur so wimmelt '

Fazit: Unterschiedlich spannender, aber sympathischer Roman von einem Autor, von dem man gern ein nächstes Buch erwartet.

Lesetipps für alle die "Paradox" mögen:
Herbert W. Franke: Transpluto
Stephen Baxter: Titan
Bob Shaw: Orbitsville
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