Es drängt zum Weiterlesen, denn immerhin umfasst es 507 Seiten Text, unterbrochen von wenigen Bildern und es fällt schwer, die ständig sich ankündigenden Erinnerungen an „Mummy“ als langweilige Mantren zu werten. Prinz Harry beschreibt in seinem Buch „Reserve“ seine ureigene Beziehung zu seiner Mutter, die als „Lady Di“ in der Erinnerung der neunziger Jahre eng verflochten ist. Gleichzeitig erzählt er munter, keineswegs geschwätzig, von seinen Alltagserlebnissen in der Schule, über die Beziehung zu seinem Vater Prinz Charles, dem heutigen König des Vereinigten Königsreichs, seine persönlichen Erfahrungen, Mitglied der Royals gewesen zu sein und schließlich auch, wie und warum diese Lebensbeichte den banal klingenden Titel „Reserve“. Für Prinz Harry war es eine tiefgreifende Erfahrung, zu Queen Elizabeth’ II. Lebzeiten die dritte Person in der britischen Thronfolge nicht nur sein, sondern auch den feinen, ständigen Schmerz zu ertragen, trotz aller royalen Umstände erst an dritter Stelle zu stehen, falls die ein Ernstfall in der britischen Thronfolge eingetreten wäre und er von jetzt auf nachher zum britischen König von England ausgerufen worden wäre. Denn ständig durfte er am Beispiel seines Bruders erfahren, wie viel besser es sei, direkter Thronfolger wie sein Bruder zu sein. Die feinen Behandlungsunterschiede innerhalb der royalen Familie, die er als Prinz Harry zu ertragen hatte, wie auch die royale Etikette, haben dies verlangt. Prinz Harry klagt darüber, dass er seinen Bruder wegen dieser Etikette, auch nie als Freund erfahren durfte und wenn sich beide, Harry und William in der Öffentlichkeit hätten begegnen sollten, niemals zeigen durften, dass sie miteinander verwandt sind. Das war für Prinz Harry immer nur schwer zu verkraften, wie es in der Lebensbeichte überzeugend zum Ausdruck kommt. In „Reserve“ leuchten die vielseitigen Facetten des royalen alltäglichen Lebens auf, stets immer aber unter der abbremsenden Prämisse des gravierenden Thronfolger-Unterschieds. Prinz Harry schreibt äußere Begebnisse mit einer unantastbaren Nüchternheit, die nur bei den fortlaufenden eruptiven Reminiszenzen an seine Mutter fragil werden. „Reserve“ ist eine Lebensbeichte und kommt nicht im grellen Yellow-Press-Jargon daher, sondern kann betroffen machen über die aufoktroyierte Lebensform die einem Jugendlichen sehr zu schaffen macht. Nicht glücklich ist bei dem dreiteiligen Buch, das kein Inhaltsverzeichnis darin erhalten ist, sondern dem Leser aufbürdet wird, den Suchdienst über Namen, Örtlichkeiten und Kapitelbegebenheiten selbst zu übernehmen. Doch wohl als bußfertiger Ausgleich wegen der im Buch vorgetragenen subtilen Einblicke ins royale Leben Großbritanniens. Trotzdem wünsche ich dieser Lebensbeichte gute Aufnahme bei Leserschaft. /cpg