Am höchsten bewertete kritische Rezension
2,0 von 5 SternenDer vierte Teil der Trilogie
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 27. Juni 2012
Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich zu diesem Buch eine Rezension schreiben soll. Ich bin langjähriger Gablé-Fan und habe "Der dunkle Thron", wie alle anderen Romane aus der Feder der Autorin seit dem Erscheinen von "Das Lächeln der Fortuna", vorbestellt und ungeduldig erwartet. Und ich war mehr als bereit, ihn genau so zu lieben wie seine Vorgänger. Nur dieses Mal brauchte ich tatsächlich drei Anläufe, um das Buch zu beenden - und das ist mir bisher bei einem Gablé noch nie passiert. Da sich aber vermutlich nicht jeder an den Dingen stört, die mir das Lesen vergällt haben, möchte ich versuchen, hier ein Pro und Kontra zu präsentieren.
Zunächst zur HARDCOVER-AUSGABE:
+ Druckbild, Umschlaggestaltung und Bindung sind hervorragend. Das Buch macht sich nicht nur schick aus im Bücherregal, sondern verspricht auch, beim dritten und vierten Lesen noch seine Seiten bei sich zu behalten. Das war bei den bei Ehrenwirth erschienenen Vorgängern ja leider nicht immer der Fall.
Und nun zum INHALT:
+ Gablé lesen ist wie nach Hause kommen: Männlicher Protagonist aus volksnaher Adelsschicht oder adelsnaher Volksschicht wird in die Probleme der herrschenden Königsfamilie hineingezogen, macht sich durch seine ehrliche Art nicht nur Freunde, hat aber früher oder später einen Kreis von Getreuen, bleibt im Großen und Ganzen immer fair, findet sowohl die Liebe seines Lebens als auch einen Lieblingsfeind, kommt über Schicksalsschläge hinweg, wird irgendwann einmal wochenlang eingekerkert und hat ein Happy End. Auch dieser Roman ist wieder nach diesem Schema gestrickt.
- Leider ist der Charakter Nick diesmal weniger liebenswert als seine Vorgänger. Stiefmutter und -schwester bedenkt er mit Namen wie Sumpfhexe und Brechnuss und ist ihnen gegenüber so irrational nachtragend und gehässig, dass man den beiden irgendwann nicht mal mehr böse sein kann; dem Adel gegenüber benimmt er sich derart impertinent, dass man ihm die in Gablé-Romanen fast obligatorische Einkerkerung fast von Herzen gönnt.
+ Die Waringhams haben sich im Laufe der Generationen ein großes Sortiment an Mitstreitern und Feinden angesammelt, und der Kreis ist durch die Verbindung der Waringhams mit den Durhams und of Helmsbys aus Gablés Romanen außerhalb der Waringham-Reihe in den vorangegangenen Romanen nicht eben kleiner geworden. Man erfährt, was aus den Familien der Charaktere geworden ist, die einem in den vorangegangenen Romanen ans Herz gewachsen sind.
- Leider nimmt das ja schon in den vorangegangenen Romanen praktizierte Aufgreifen von Nachkommen befreundeter Familien in diesem Roman Züge an, die den Lesespaß doch arg beeinträchtigen. Zum einen stolpert man gehäuft über Dialoge wie "Wer bist du eigentlich?" - "Blah of Blahchester, dein Schwippschwager siebten Grades um drei Ecken." Damit ist oftmals alles gesagt und der entsprechende Charakter wird nicht einmal näher beschrieben oder charakterisiert, sondern wird aufgrund der Familiengeschichte ins Lager Freund oder Feind einsortiert und bleibt oft ein Pappaufsteller. Auf schillernde Gestalten wie John of Gaunt, Mortimer Dermont, Isaac oder Leofric wartet man in diesem Roman leider vergeblich.
+ Die Zeit von Henry VIII ist faszinierend - nicht nur das königliche Gattin-wechsel-dich, dass meist recht zentral in Romanen dieser Zeit steht, sondern auch die Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken, die die Herrschaft Henrys überdauern sollten. Gablé konzentriert sich auf den letztgenannten Konflikt und blendet die Geschehnisse bei Hofe fast komplett aus, und konzentriert sich mehr auf die Bewegungen im Volk und auf Henrys Tochter Mary, was ich persönlich erfrischend fand.
- Allerdings konnte ich nicht genießen, dass sie Henry VIII auf Basis persönlicher Abneigung - und entgegen historischer Quellen, die ihn zumindest in seiner Jugend als charmante Sportskanone und gerühmten Fechter preisen! - fälschlicherweise bereits in seiner Jugend als einen fetten, unleidlichen Widerling beschreibt. Stattdessen hält sie zusammen mit ihrem Hauptcharakter Nick Henrys Tochter Mary die Stange, die ob ihrer Protestantenverbrennungen (die von Gablé im Nachwort psychologisierend gerechtfertigt werden) als "Bloody Mary" in die Geschichte eingeht (unverdient, wie Gablé findet). Einen historischen Roman, der Geschichte verdreht und dann schön schreibt, kann ich persönlich nicht mit Genuss lesen.
FAZIT:
Wer nicht mehr alle Familien aus allen Waringham-Romanen im Kopf hat (und auch nicht bereit ist, Ursachenforschung in den anderen Büchern zu betreiben) wird sich mit diesem Roman genau so schwer tun wie Leser, die nicht darüber hinwegsehen können, dass Gablé sich in ihren Beschreibungen der historischen Charaktere nicht nur interpretative Freiheiten nimmt, sondern die historischen Quellen auf Basis ihrer eigenen Sympathien schlichtweg ignoriert. Wer sich allerdings zutraut, über beides hinwegzusehen und den Roman trotz des etwas unsympathischen Hauptcharakters und des wie üblich ablaufenden Plots zu lieben, wird an diesen Büchern genau so viel Freude haben können wie an Gablés anderen Romanen.