Am höchsten bewertete kritische Rezension
1,0 von 5 SternenGuter Versuch - kläglich gescheitert
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 12. August 2014
Ich habe dieses Buch sehr schnell gelesen - aber nicht, weil es ein Pageturner war. Sondern weil ich es möglichst schnell durch haben wollte, um mich nicht weiter ärgern zu müssen. Zudem las ich es irgendwann nur noch quer, was bei dem Schreibstil der Autorin nicht schwierig war und sie zudem immer weiter Szenen einstreute, die für die Handlung einfach überhaupt nicht wichtig waren und sich letztlich auch nicht als besonders wichtig darstellten in Bezug auf die Weiterentwicklung der Charakter. Überhaupt krankte dieses Buch vor allem an seinen Charakteren bzw. den Hauptfiguren.
Aber der Reihe nach:
die junge, unerfahrene Kommissarin Viktoria Engel erschießt versehentlich bei einem Routineeinsatz bei widrigen Bedingungen einen 16jährigen, den sie für gewährlich und bewaffnet hält, was er nicht war. Da sie sich vor Konsequenzen fürchtet (ja, warum eigentlich? Eine interne Ermittlung wäre für Sie glimpflich ausgegangen, wage ich zu behaupten, zumal ihr Kollege sicher für sie ausgesagt hätte - aber egal, das führt hier zuweit.), stellt sie die Geschehnisse mit Hilfe ihres Kollegen Oliver Dellbrink so um, dass es so aussieht, als habe der 16jährige auf sie geschossen und sie damit nur in Notwehr gehandelt. Die beiden handeln in Panik, beiden haben Angst um ihre Jobs und so sind sie recht schlampig, weil unter Zeitdruck, als sie den "Tatort" so präparieren, dass ihre Geschichte glaubhaft erscheint.
Und die beiden kommen tatsächich mit ihrer Geschichte durch. Mit der niedlichen, unbedarften Viktoria Engel hat sogar jeder noch Mitleid, ihren Kollegen fasst niemand so hart an, weil der sich bedauerlicherweise noch verletzte und überhaupt: ganz schwer traumatisiert. So weit, so gut. Die Dorfpolizei von Martinsfehn darf in so einem Fall nicht ermitteln und so werden noch Kollegen aus Leer und Delmenhorst hinzugezogen. Und wie das so ist: die Kommissarin aus Leer (die natürlich gutaussehend ist und in Trennung lebt, zudem sehr taff und ehrgeizig) gerät mit dem Leiter der Polizei in Martinsfehn immer wieder aneinander. Der ist natürlich wie es sich gehört Witwer. Und, achja, gutaussehend. So wie auch schon VIktoria Engel und Oliver Dellbrink. Wie passend, dass die beiden auch noch eine Affäre hatten, so gutaussehend wie beide doch waren.
Und während man sich noch wundert, dass niemand die Geschehnisse hinterfragt und der Fall nach wenigen Tagen zu den Akten gelegt wird, stellt einem die Autorin die nächsten Charaktere vor: die Eltern des toten Jungen, der Vater Pastor, natürlich strenggläubig, sein Sohn konnte ihm nie was recht machen. Die Lehrerin, die einen leichten Knall hat. Das Ehepaar, das auf Mittelaltermärkte fährt, beide übrigens sehr gutaussehend, auch wenn er gehbehindert ist, aber das kommt vor. Und weil der 16jährige Rouven, das Todesopfer, auch so unglaublich gutaussehend war, hat sich die Mittelaltermarkt-Dame auch mal direkt in ihn verliebt. Dann lernen wir noch ein paar uninteressante Jugendliche kennen, die Tochter des Dienststellenleiters, die auch in den gutaussehenden Rouven verliebt war, den schwulen Kneipenwirt, der für die Story rein gar keine BEdeutung hat - und jede jede Menge Polizisten. Wir erfahren, dass Viktoria und Oliver eine Affäre hatten, obwohl Olivers Frau auch so unfassbar gutaussehend war.
Lauter schöne Menschen, die aber alle merkwürdig blass bleiben. Man kann aus so einer Dorfgemeinschaft deutlich mehr rausholen, wenn man sich bemühen würde, nicht die allzu plattesten Klischees zu wählen, um diese zu beschreiben. Das führt nur dazu, dass man sich als Leser mit keiner, aber auch wirklich keiner Figur identifizieren kann. Ganz im Gegenteil: vor allem die Hauptprotagonisten, allen voran Renke Nordmann und Nola van Heerden (was für ein Name!) agieren wie ferngesteuert. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Nola die Ermittlungen führt. Zwar entdeckt sie ENDLICH mal die Ungereimtheiten in der Geschichte Viktorias und Olivers und sie teilt diese auch Renke Nordmann mit - aber der geht nicht weiter drauf ein. Und weil er das nicht tut und seine Kollegen schützt, kümmert sich auch Nola nicht weiter drum. Obwohl sie völlig auf dem richtigen Weg war. Und so wir das "Ursprungsverbrechen" in diesem Roman zu keinem Zeitpunkt vollständig aufgeklärt. Am Ende aber immerhin drei Morde, die so inszeniert sind, dass sie darauf hindeuten, dass es an dem Abend, als Rouven ums LEben kam, nicht mit rechten Dingen zuging. Denn vor allem die Jugendlichen aus dem Dorf glauben nicht an die Version der Polizei. Weswegen es auch zu deutlichen Unmutsbekundungen im Dorf kommt - auf die aber auch nicht weiter eingegangen wird. Selbst als klar wird, dass die Tochter Renke Nordmanns dahintersteckt, hält dieser still und blockiert so sämtliche Aufklärungs- und Ermittlungsarbeiten.
Garniert wird der ganze löchrige Handlungskäse durch eine völlig unauthentische Romanze. Überflüssig zu erwähnen zwischen wem die abgeht. Wobei es immerhin kein Happy End hat und die beiden verliebt in den ostfriesischen Sonnenuntergang reiten. Ganz im Gegenteil: die Autorin lässt kaum Gelegenheiten aus zu erwähnen, wie doof Nola Renke findet. Und seine Möbel. Seinen spießigen Vorgarten. Seine Launen. Und wie unattraktiv Nola die verstorbene Frau Renkes auf Bildern findet. Und exakt das war der Punkt, wo ich mich aus der Geschichte ausgeklinkt habe.
Das Ende ist leider auch keine Überraschung. Die Auflösung präsentiert die Autorin nebenbei auf wenigen Seiten. Der geneigte Krimileser wusste da aber schon lange, wo der Hase hinläuft. Die Autorin bemüht sich zwar nach Kräften, falsche Fährten zu legen und Szenarien zu entwickeln, wonach auch dieser oder jene Dorfbewohner verdächtig erscheinen könnte. Aber es gelingt ihr kaum. Jede Spur, die sie legt, zerstört sie selbst nach einigen Zeilen wieder. So kommt keine Spannung auf, von einem Spannungsbogen will ich gar nicht erst reden.
Gekauft hab ich mir das Buch, weil ich mir einen Krimi in englischer Tradition erhoffte und tatsächlich auch den Spirit einer verschworenen Dorfgemeinschaft, in der dann am Ende tatsächlich auch jeder jedem misstraut. Ich habe vielleicht zuviel erwartet. Bekommen hab ich davon jedenfalls nichts.
Wer gute, durchdachte und vor allem exzellent formulierte Krimis aus Deutschland lesen will, sollte sich an Elisabeth Herrmann halten. Überhaupt: Titel und Cover vom "Dorf der Lügen" erinnern schon sehr dreist an ein Werk Elisabeth Herrmanns. Schade, dass Barbara Wendelken nicht halb so talentiert ist wie das "Original".
Einen Stern gibts am Ende - weil das Bemühen zeitweise deutlich zu erkennen war und immerhin auf ein rührseliges Ende verzichtet wurde.Mehr war aber beim besten Willen nicht drin. Die Mängel dieses Buches sind dann doch zu eklatant.