Am höchsten bewertete positive Rezension
4,0 von 5 SternenTolles Buch, aber ...
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 14. Februar 2020
Die Geschichte beginnt mit einem bestialischem Mord an einem Kind, wobei die Beweislage absolut klar erscheint. Doch so eindeutig die Beweise zunächst scheinen, es werden nach und nach Zweifel gesäht. So bekommt der Leser zwei Versionen der Wahrheit serviert, die sich gegenseitig ausschließen. Mit diesem Paradox hat die Hauptperson des Romans - Detective Ralph Anderson - zu kämpfen, der auf Basis der Beweislage den vermeintlichen Täter öffentlichkeitswirksam verhaftet und damit an den Pranger stellt. Als er nach der Verhaftung erfährt, dass dieser eventuell unschuldig ist, ist das Kind schon in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen und der Verhaftete durch die Öffentlichkeit gebrandmarkt. Detective Anderson setzt anschließend alles daran, den Fall aufzuklären, auch wenn ihn das an die Grenze dessen bringt, was er bereit ist als Realität anzuerkennen.
Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen oder irgendetwas spoilern, da ich finde, dass die Geschichte selbst wirklich klasse ist und für den Ideenreichtum des Autors spricht. Nicht zuletzt hat dieser Ideenreichtum ja auch dafür gesorgt, dass man mit Literatur von Stephen King inzwischen ein ganzes Bücherregal füllen kann. Dabei ist das erstaunliche, dass die Geschichten in der Regel für sich selbst stehen und jeweils eine "eigene" Geschichte erzählen. Dazu kommt seine Art zu schreiben bzw. zu erzählen. Beides hat mich viele Jahre dazu gebracht, blind King-Bücher zu kaufen und zu lesen, da einem immer etwas neues geboten wird und ich nicht das Gefühl habe, dass hier Geschichten und Protagonisten so lange ausgequetscht werden, bis es keiner mehr lesen will.
In dieser Hinsicht hat mich dieses Buch allerdings etwas enttäuscht. Nach dem ersten Drittel des Buches taucht plötzlich Holly Gibney auf, welche treue King-Leser aus der Bill Hodges Trilogie (Mr. Mercedes, Finderlohn, Mind Control) kennen dürften. Dass King die Person hier recycled finde ich zunächst nicht übermäßig problematisch. Warum auch nicht, wenn es der Geschichte hilft. Leider tut es das hier in meinen Augen überhaupt nicht, im Gegenteil. Durch das Auftauchen von Holly gibt es Rückblicke in die Bill Hodges Bücher, die ich als Leser dieser Geschichte eigentlich gar nicht haben will. Plötzlich driftet der eigentlich Plot immer weder in den Plot der anderen Bücher ab. Źusätzlich dazu avanciert Holly praktisch zur Hauptdarstellerin der Geschichte und führt den Fall mit Hilfe von Ralph Anderson schließlich zielstrebig und nicht unbedingt glaubwürdig zu Ende.
Alles in allem kommt hierbei ein Roman heraus, den man bis zum Ende liest, weil man auf eine Auflösung des im ersten Drittel aufkommenden Paradoxons wartet und auch King's Art zu erzählen das seine dazutut. Nichtsdestotrotz läuft der Plot ab dem Auftauchen von Holly bzw. nach dem ersten Drittel nicht mehr rund. Durch die Rückblicke in die andere Trilogie verliert die Erzählung selbst deutlich an Fahrt und man hat etwas das Gefühl, dass die eigentlich Geschichte ab diesem Moment mehr oder weniger routinemäßig heruntergespult wird. Es kommen keine wirklichen Überraschungen mehr und auch das Ende wirkt dann auch eher uninspiriert.
Als Fazit lässt sich daher aus meiner Sicht sagen, dass hier eine eigentlich gute Idee leider nicht wirklich gut zu Ende gebracht wurde. Die ersten Seiten des Buches haben mich wirklich begeistert, doch nach hinten hin wurde die Erzählung leider etwas platt und vorhersehbar. Es hätte dieser Geschichte sicher besser getan, wenn man die Bill Hodges-Geschichten außen vor gelassen hätte oder den Einfluss von Holly auf den einer Informantin beschränkt hätte. So wirkt es am Ende wie ein merkwürdiger Geschichtenmix, der diesem Buch nicht wirklich gut tut. Ich gebe dennoch 4 von 5 Sternen, da mir die Idee hinter dieser Geschichte sowie King's Art zu schreiben sehr gefällt, so dassdas Pendel eher Richtung 4 als Richtung 3 Sterne ausschlägt.