Am höchsten bewertete positive Rezension
4,0 von 5 SternenDas Spiel mit dem Feuer
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 9. Oktober 2017
Im Jahr 1980 erschien dieser übernatürliche Thriller im amerikanischen Original. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges erzählt King die Geschichte eines Vaters, der zusammen mit seiner kleinen Tochter vor den Häschern eines Geheimdienstes flieht. Jahre zuvor hatte der Mann an einem scheinbar harmlosen medizinischen Experiment teilgenommen und dabei seine spätere Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Tochter kennengelernt. Allerdings verbarg sich hinter dem Experiment eben jener Geheimdienst, der zu dieser Zeit mit einem Mittel namens Lot Sechs telepathische und -kinetische Erfahrungen am Menschen sammelte. Die Wirkungen auf die Probanden waren die eine Sache, das später geborene Mädchen Charlie und ihre herausragenden Fähigkeiten – beide Eltern mit Lot Sechs infiziert – eine ganz andere. Aus genau diesem Grund will der Geheimdienst das Mädchen entführen und schreckt dabei auch nicht vor Mord zurück.
Besonderes Gewicht misst King der Beziehung zwischen Vater und Tochter bei. Vor dem Hintergrund ihrer Flucht und der beständig näher kommenden Verfolger bröckeln die Überzeugungen der elterlichen Erziehung. Das Mädchen Charlie setzt ihre Kräfte nur ein, wenn der Vater keine andere Lösung mehr zur Hand hat. Jedoch sind diese Episoden verbunden mit starken Schuldgefühlen, was die zunehmend schwierigere Lage der beiden Flüchtenden zusätzlich belastet. Den Vater beschleichen Zweifel ob seiner Haltung...
Die Stärke dieser Erzählung ist neben der einfühlsam geschilderten Vater-Tochter-Beziehung der kontinuierliche Ablauf, der sich – geschickt durch Rückblenden in das Leben des Vaters ergänzt – nicht in unnötig vielen Handlungssträngen verliert, stattdessen den Fokus immer weiter auf das unvermeidliche Finale hin verengt. Die Person des John Rainbird – als der Gegenspieler zu Vater und Tochter – ist in ihrer diabolischen Genialität hingegen stark überzeichnet und lässt den anderen Protagonisten der 'Firma' kaum noch Präsenz, um die Aura eines hinter den Kulissen agierenden Geheimdienstes angemessen zu verkörpern. Gegenüber dem mordenden Indianer, seiner kruden Gedankenwelt und intellektuellen Brillianz verblassen Geheimdienstchef Cap und seine Agenten und Psychologen völlig. Hier verfällt King in ein allzu starkes Gefälle – kühl-rational gegenüber affektuell-einfältig – das sich ebenso in seiner eindimensionalen Erzählweise von Gut gegen Böse manifestiert.
Doch abgesehen von diesen Antagonismen hat King mit dieser Erzählung einen Thriller geschaffen, der weniger durch Horrorelemente, als durch eine spannende Geschichte im Geheimdienstmilieu des Kalten Krieges und die intensive literarische Begleitung der Hauptpersonen überzeugt. Klugerweise beendet King seine Geschichte mit einem offenen Ende, welches in seiner Hinführung absolut stimmig ist und den Leser dazu bringt, das Buch nicht ohne weitere gedankliche Beschäftigung zur Seite zu legen.